Tod von Gudrun Burwitz: Heinrich Himmlers Tochter, Nazi bis zuletzt (2024)

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Ihren Nachnamen hätte sie als Fluch empfinden können. Weil sie deshalb Absagen kassierte, als sie sich als Schneiderin oder Sekretärin bewarb. Aber stolz sagte Gudrun Himmler auch lange nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Vorstellungsgesprächen stets: "Mein Vater war Reichsführer SS." Den Vorschlag, ihren belasteten Namen zu ändern, lehnte sie empört ab. "Man beginnt ein neues Leben nicht mit einer Lüge. Ich bleibe die Gudrun Himmler."

Erst später hieß sie Gudrun Burwitz, nachdem sie Wulf-Dieter Burwitz heiratete, einen bayerischen NPD-Funktionär und Verfasser rechtsextremer Schriften. Ihren Vater bewunderte sie stets - dabei war Heinrich Himmler der mächtigste Mann hinter Hitler, einer der Hauptverantwortlichen des millionenfachen Mordes an den Juden.

Nun ist Gudrun Burwitz nach Informationen der "Bild"-Zeitung im Alter von 88 Jahren gestorben, am 24. Mai schon. Durch Verwandte oder Bekannte bestätigt ist das bisher nicht; die Himmler-Tochter hatte allerdings jahrzehntelang die Öffentlichkeit gemieden. Diskret unterstützte sie derweil die "Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte", einen 1951 gegründeten Verein mit dem Ziel, Altnazis zu helfen.

Expertise von SS und Gestapo

Ähnlich diskret wurde auch ihr selbst geholfen - nämlich vom Bundesnachrichtendienst. "Vermutlich von Ende 1961 bis zum Herbst 1963", berichtet "Bild", war Gudrun Burwitz beim BND in Pullach als Sekretärin angestellt. Auf Anfrage habe der BND bestätigt, dass sie "bis 1963 unter anderem Namen" für die Behörde arbeitete.

Beim Auslandsgeheimdienst war man bemüht, die Wogen zu glätten. Der Zeitpunkt des Ausscheidens der Himmler-Tochter falle zusammen mit "dem einsetzenden Wandel im Verständnis und im Umgang mit NS-belasteten Mitarbeitern", beschwichtigte BND-Chefhistoriker Bodo Hechelhammer gegenüber der Zeitung.

Die fragwürdige Zusammenarbeit überrascht kaum, sondern passt ins Bild und die Zeit. Zahlreiche deutsche Agenten aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren hatten eine Vergangenheit bei der Gestapo oder SS. Mit hartnäckiger juristischer Verfolgung mussten Kriegsverbrecher damals ohnedies kaum rechnen, die alten Seilschaften funktionierten - nicht zuletzt beim BND, 1956 aus der "Organisation Gehlen" hervorgegangen. Benannt war der Dienst nach Reinhard Gehlen, einem ehemaligen Generalmajor der Wehrmacht, der erster BND-Chef wurde.

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Gudrun Burwitz: Himmlers "Püppi" - die Nazi-Prinzessin

Foto: AP

Bei der Suche nach Personal griff der deutsche Auslandsgeheimdienst damals oft auf jene Funktionäre zurück, die in der Nazidiktatur durch Terror und Überwachung Karriere gemacht hatten. Der BND hatte reichlich Nazis in den eigenen Reihen - und war damit keineswegs allein. Im Kalten Krieg setzten auch andere Nachrichtendienste recht bedenkenlos auf die Expertise ehemaliger Nazis.

Dass aber ausgerechnet die Tochter Himmlers, der als Reichsinnenminister, als Chef der SS und der Polizei ohne Gnade Gegner des NS-Regimes jagen und ermorden ließ, beim BND einen Posten bekam - es wirkt wie ein besonders zynisches Beispiel für die Geschichtsvergessenheit des Dienstes. Denn diese Frau machte kein Geheimnis daraus, wie sie lange nach Kriegsende dachte.

"Onkel Hitler" soll 200 Jahre leben!

So legte Gudrun Himmler 1959 in ihrem einzigen Interview ihre Geisteshaltung offen: "Ich sehe es als meine Lebensaufgabe an, ihn vor der Welt in ein anderes Licht zu stellen. Mein Vater ist als der größte Massenmörder aller Zeiten verschrien. Ich will versuchen, dieses Bild zu revidieren."

Gudrun Himmler wurde im August 1929 in München geboren. "Blonde Haare, mit blauen Augen und einer rosigen Nase", schrieb ihre Mutter Margarete damals glücklich ins Babyjournal: schon das Baby eine Vorzeige-Arierin! Darauf wurde Gudrun Himmler früh getrimmt und nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in der Bevölkerung ironisch auch als "Nazi-Prinzessin" bezeichnet.

Ihr Tagebuch, das sie als junges Mädchen von Juli 1941 bis April 1945 führte, ebenso wie etliche Briefe ihrer Mutter zeugen von der Bewunderung für ihren mächtigen Vater. "Das ganze Volk schaut auf ihn", schrieb sie im Sommer 1941 als Zwölfjährige. "Er hält sich immer so zurück und tut sich nicht hervor." Einen Orden habe er verdient, notierte sie an anderer Stelle. Und schon in ganz jungen Jahren sorgte sie sich, "Onkel Hitler" könne sterben. Dabei solle der doch bitte 100, nein 200 Jahre leben.

Sie nannte Heinrich Himmler "Pappi", er nannte sie "Püppi", war aber meist viel zu beschäftigt und schrieb eher sporadisch Briefe. Oft kam er nur zu kurzen Stippvisiten von Berlin zum Haus der Familie am bayerischen Tegernsee. Jeder längere gemeinsame Ausflug wurde daher zu einem Höhepunkt für die Tochter.

Schöner Tagesausflug ins KZ

So zeigte er ihr im Juli 1941 "einen sehr großen Betrieb", dort sei es "herrlich" gewesen, schrieb das Kind in sein Tagebuch. Es war das KZ Dachau, in dem mehr als 40.000 Gefangene starben. "Wir haben den Kräutergarten gesehen, die Birnbäume und all die Bilder, die Häftlinge gemalt haben. Wunderbar! Danach haben wir sehr gut zu Mittag gegessen."

Als im März 1945 die Kriegsverbrechen nicht mehr zu übersehen waren und das Ende des "Tausendjährigen Reiches" schon nach zwölf Jahren nahte, schrieb die 15-Jährige noch in ihr Tagebuch: "Pappi hat den Volkssturm verkündet in einer herrlichen Rede." Im Mai '45 kollabierte das Naziregime, Heinrich Himmler half ein letztes Mal seiner Familie. Er organisierte mit einem engen Mitarbeiter aus seinem Stab ihre Flucht vom Tegernsee nach Südtirol. "Wo wir hingehen, muss ganz geheim bleiben", schrieb Gudrun Himmler ins Tagebuch.

"Püppi" und "Pappi" sahen einander nie wieder. Sich selbst konnte Heinrich Himmler nicht retten, er wurde am 20. Mai beim Fluchtversuch über die "Rattenlinie Nord" gefasst. Drei Tage später nahm er sich beim Verhör in Lüneburg per Zyankalikapsel das Leben und entzog sich so der Verantwortung für die Verbrechen, die er begangen hatte.

Seine Tochter wollte das nicht wahrhaben und unterstellte einen Mord. Später kündigte sie an, ein Enthüllungsbuch zu schreiben, in dem die Wahrheit über den Tod ihres Vaters ans Licht komme und weitere vermeintlich unbequeme Tatsachen. Das Buch erschien nie.

"Star der braunen Szene"

In Gudrun Himmlers Kopf lebte ihr Vater als strahlender, schuldloser Held fort. Ihm sei, so sah sie es, doch nur "die Müllabfuhr des Reiches" übertragen worden. Und sie blieb stets eine ideologisch gefestigte Mustertochter. Bei der "Stillen Hilfe" unterstützte sie jahrzehntelang Altnazis: etwa mit ärztlichen Attesten für Haftunfähigkeit, mit Gnadengesuchen und Geldspenden, ebenso mit der Suche nach einer "standesgemäßen" Wohnung oder einem Altersheimplatz für verdiente SS-Führer, getreu dem alten SS-Motto: "Unsere Ehre heißt Treue."

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Zu den Nutznießern der "Stillen Hilfe" gehörten bekannte NS-Verbrecher wie Erich Priebke, Anton Malloth oder Klaus Barbie, der berüchtigte "Schlächter von Lyon" (den der BND ebenfalls als Agent beschäftigt hatte). Bis 1993 war der Verein, der in dieser Zeit 27 Mitglieder und ein paar Hundert Spender zählte, als gemeinnützig anerkannt. Der Verfassungsschutz stufte ihn als "harmlos" ein. Nach außen sprach Gudrun Burwitz nicht darüber: Sie helfe, wo sie könne, sagte sie 1998 der "Times". Mehr gab sie nie preis.

Intern aber agierte Gudrun Burwitz als Führungsfigur. In ihrem Buch "Stille Hilfe für braune Kameraden" beschrieb das Autorenduo Andrea Röpke und Oliver Schröm, wie alte und junge Nazis sich 1995 in Österreich trafen, mit Gudrun Burwitz als "Star der braunen Szene, angehimmelt wie eine Prinzessin"; an der Bluse habe sie eine silberne Brosche mit Pferdeköpfen in Hakenkreuzform getragen.

Nahe Klagenfurt empfing Gudrun Burwitz einige frühere SS-Führer wie zur Audienz und befragte sie streng, wo sie gedient hätten. Die Kameraden nahmen gleich Haltung an: "5. SS-Panzer-Division Wiking". - "Freiwilliger in der Dänischen Waffen-SS?" - "Jawoll!"

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